Das Senckenberg Naturmuseum in Frankfurt am Main (Senckenberg) wird voraussichtlich bis zum Jahre 2019 umfangreich erweitert. Die unter dem Namen „Projekt Senckenberg“ zusammengefassten Maßnahmen sollen die in 2017 200-jährige Tradition der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung mit den modernen Ansprüchen an Naturkunde- und Forschungsmuseen vereinbaren.
Als offizieller Auftakt der gesamten Umgestaltungsphase diente der internationale Kongress „Exhibit Nature & Explain Science“ am 6. und 7. Juni. Dabei trafen sich rund 300 Teilnehmer im Senckenberg, um sich mit den Themen Architektur, Medien, Wissensvermittlung und Szenographie für naturhistorische Museen und Ausstellungen auseinander zu setzen. Mittelpunkt bildeten Vorträge von etwa 70 Experten, die ihre Ideen und weltweit in Planung und Realisierung begriffenen Projekte präsentierten. Aus ihnen sollen konkrete Ideen und zeitgemäße Anforderungsprofile für die weiteren Planungen in Frankfurt abgeleitet werden.
Bei einer Pressekonferenz am Vormittag des 6. Juni wurde anschaulich, dass das Senckenberg nicht nur seine Bestände bewahrt und präsentiert, sondern sich auch intensiv in die internationale Forschung zu den Themen Artenvielfalt, Öko-Systeme und Wirkungen des Klimawandels auf die Biosphäre einbringt. Bereits die Gründung der Senckenberg Gesellschaft sowie die des späteren Museums gehen auf eine Initiative der Frankfurter Bürgerschaft zurück. Senckenberg will diese Art Engagement wahren und gleichzeitig sein Profil als Institution der Wissenskultur für die deutsche Bildungsrepublik schärfen.
Der erste Kongresstag startete um 11.00 Uhr mit Impulsvorträgen über unterschiedlichste Konzepte zur Vermittlung von Natur, die für die Planungen von Senckenberg relevant werden können. Die Teilnehmer waren Naturkundeexperten, Praktiker und Wissenschaftler, die sich mit Wissenskommunikation beschäftigen: Journalisten, Fotografen, Informationsdesigner, Medienentwickler, Wissenschaftsmarketing-Experten, Social-Media- und Gaming-Fachleute. Sie zeigten, dass neue Kooperationen und der Austausch von Wissenschaftlern mit Amateuren und der interessierten Öffentlichkeit weiter an Bedeutung gewinnen, zumal naturhistorische Themen boomen: In Zeiten, in denen die meisten Menschen in Städten leben und von daher nur einen begrenzen Zugang zur Natur haben, werden beispielsweise von Los Angeles über Lyon und Frankfurt bis Shanghai neue Museen geplant, gebaut oder bestehende erweitert – entweder mit dem Ziel, touristische Attraktionen, „Leuchttürme“ der Wissensgesellschaft oder sogar beides zu schaffen.
Der Konferenztag endete ab 20.00 Uhr mit der öffentlichen „Science Slam Night“ im Sauriersaal des Senckenberg. Dabei stellten junge Wissenschaftler in maximal zehn Minuten und auf ungewöhnliche Weise ihre Forschungsfelder vor. Dies war gleichzeitig auch eine Kostprobe für eine neue Form, über wissenschaftliche Themen mit verschiedensten Zielgruppen in Dialog zu kommen.
Der zweite Tag der Konferenz begann mit einem Beitrag von Professor Manfred Hegger, dem Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) und dem Inhaber des Lehrstuhls für „Entwerfen und Energieeffizientes Bauen“ an der Technischen Universität Darmstadt. Seine Studenten hatten die Erweiterung des Senckenberg Museums im Rahmen eines bestehenden Masterplans als Thema für ihre Diplomarbeiten in 2011: Naturmuseen, in denen es immer auch um Umweltschutz geht, sollten selbst auch vorbildliche und nachhaltige Gebäude, „Green Buildings“, sein. Dann starteten am Vormittag parallel veranstaltete Foren zu aktuellen Museumsbauten und entsprechenden Ausstellungskonzepten, am Nachmittag die zu szenographischen und computergenerierten Präsentationen. Sämtliche Beiträge beschäftigten sich damit, mit gestalteten Räumen und Exponaten Themen und Geschichten für die Besucher eines Museums erlebbar zu machen.
Der Kongress endete mit einem Empfang der Senckenberg Leitung. Es ist vorgesehen, möglichst zeitnah einen Berichtsband zur ersten Veranstaltung des Projekts Senckenberg zu publizieren. Ausgewählte Interviews mit Konferenzteilnehmern werden im Internet veröffentlicht. Etwa im Rhythmus von zwei Jahren sind weitere Kongresse geplant, bei denen auch jedes Mal der Fortschritt des „Projekts Senckenberg“ dokumentiert werden soll.
Umgestaltung des Senckenberg-Areals in Frankfurt erfolgt im wesentlichen in zwei Schritten: Der Masterplan I umfasst zunächst die Forschung und Präparate der mittlerweile über 37 Million Exemplare zählenden Sammlung, die in den freigewordenen Gebäuden der „Alten Physik“ und in dem ehemaligen Hauptgebäudes der Goethe-Universität untergebracht werden sollen. Durch das räumliche Wachstum um rund 61 Prozent wird Senckenberg weiterhin internationale Spitzenforschung möglich sein, zumal nach dem deutlichen Wachstum innerhalb der vergangenen fünf Jahre. Für die optimale Gestaltung der Flächen investieren der Bund und das Land Hessen mehr als 100 Millionen Euro – insgesamt wird mit Kosten von knapp 117 Millionen Euro kalkuliert. Für die Umsetzung des Masterplans I wird eine Planungs- und Genehmigungsphase von November 2011 bis Ende 2013 erwartet. Die Ausführungsvorbereitung soll ab April 2013 beginnen, die Bauzeit von Mai 2014 bis März 2018 dauern.
Der Masterplan II betrifft den Bau eines Planetariums, den Erweiterungsbau und die Neugestaltung des Museums. Mit ihm wird das Ausstellungskonzept grundlegend überarbeitet und die Präsentationsfläche deutlich vergrößert. Bis zum 200-jährigen Jubiläum der Senckenberg Gesellschaft in 2017 ist eine weitgehende Realisierung vorgesehen. Als besondere Herausforderung definieren die Verantwortlichen, dass Naturmuseen in Zukunft aus einer Flut von Informationen und Anforderungen diejenigen herausfiltern, thematisieren und erklären müssen, die sowohl für die Gesellschaft als auch den einzelnen Menschen relevant sind.
Die Umsetzung des Masterplanes II sieht den Abriss eines Teils des südlichen Gebäudeflügels und des Museumssaals der Wale und Elefanten vor. Auf der Westseite des Senckenberg-Areals wird die Gesellschaft einen Museums-Erweiterungsbau errichten, so dass die gesamte Museumsfläche von nun 7.000 Quadratmeter auf knapp das Doppelte anwächst. Für den Neubau sind rund 35 Millionen Euro kalkuliert. Dazu kommen die Kosten der szenografischen Ausgestaltung mit etwa 11 Millionen und die des Umbaus mit etwa zehn Millionen Euro. Diese Mittel müssen zu einem großen Teil aus Eigenmitteln der Gesellschaft und aus Spenden aufgebracht werden. Die Konzeptionsphase soll Ende 2013 abgeschlossen sein, die Auswahl der Architekten und Planer bis Ende 2014 erfolgen. Die anschließende Planungsphase endet voraussichtlich Ende 2015. Fertig gestellt werden soll der Bau 2017 bis 2019.
Damit dieser museale Teil von „Senckenberg – World of Biodiversity“ verwirklicht werden kann, wird ein neues integratives Museumskonzept entwickelt, das die Großthemen „Kosmos – Erde – Mensch – Zukunft“ abbilden soll. Das „Projekt Senckenberg“ will mit der Vorbereitung auf das neue Naturmuseum auch eine breit angelegte Debatte über den kulturellen Umgang mit Naturzusammenhängen anstoßen. So wird schon während des Vorbereitungsprozesses das Ziel verfolgt, Senckenberg zu einem internationalen Zentrum der Debatte um Biodiversität und Klimaschutz zu entwickeln.
Darüber hinaus kann das neue Senckenberg ein Prestigeobjekt für Frankfurt als „Green City“ werden. So waren bereits auch die jetzigen Räume bei ihrer Eröffnung auf der Höhe der Zeit: Die historischen Berichte dazu heben vor allem die Lichtführung hervor, durch die möglichst viel natürliche Helligkeit in die Schausammlungen des Gebäudes gelangt. Das wurde als ein Symbol für die Öffnung gegenüber dem breiten Publikum und für ein modernes Museum wahrgenommen. Dies sowie die Tradition des Forschungsmuseums, in dem wissenschaftliches Arbeiten und pädagogisch orientierte Darstellung eng miteinander verknüpft sind, gilt es, nun mit dem „Projekt Senckenberg“ erfolgreich fortzuführen.
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